Heute zum Thema: Geld
Geld dieses gefährliche Korrosiv, das sich an die Seelen setzt wie Rost an den Stahl. Stefan Zweig
Geld ist etwas, was gilt, im Grunde und an und für sich also eigentlich nichts wert ist. Noch deutlicher kommt dieser Schein beim Worte "Geld-schein" zu Tage.
Der Gedanke, daß Geld ein Äquivalent jener Güter sein könnte, ohne die der Mensch in Not und Elend verkommen und verhungern müßte, muß ausgemerzt werden. Daß Brot für Geld käuflich wurde, hat den heutigen Zustand des Abendlandes verschuldet.
"Das Geld arbeitet", heißt es so rührend. Was das Geld nicht alles kann! Es arbeitet sogar! Und noch dazu beim liegen! Fabelhaft!
Das heutige Geld ist überhaupt kein Geld mehr und besteht aus unkontrollierbaren Papierwischen, mit denen unbekannte Medizinmänner anonymen Hokuspokus treiben. Wer behauptet, das Geld sei heute noch ein Tauschmittel, ist entweder ein Esel oder er lügt bewußt. Es ist ein Raubmittel und kein Tauschmittel, denn ein Tauschmittel müßte zuerst einmal wirklich vorhanden sein und dürfte nicht im Keller irgendeiner Notenbank liegen, während nur schemenartige Scheine in Erscheinung treten. Und zweitens ist ein Tauschmittel, das Zinsen trägt, ein Unding.
Tatsache ist, daß das Geld den Menschen seelenlos macht. Daß es nicht nur den seelenlos macht, der es nicht besitzt und sich seinetwegen erniedrigen muß, sondern auch den, der es besitzt und seinetwegen erhöhter scheint, indem es ihm den Wert der Welt durch den steten Hinweiß auf ihren Preis verekelt.
Je intensiver man sich in das komplizierteste aller Probleme, in das Problem des Geldes, vertieft, desto rettungsloser stürzt man ins Bodenlose. Das Geld ist das typische Beispiel eines Geistes, den man - angeblich aus Bequemlichkeitsgründen - gerufen hat, und nun nicht mehr los wird, da er unaufhaltsam damit beschäftigt ist, zu beweisen, daß Bequemlichkeit ebenso wie Müßiggang aller Laster Anfang sei. Neunzig Prozent alles Unglücks auf Erden verdankt heute seine Möglichkeit dem Geld und den Folgen seiner Verwendung. Man quatscht viel über die Unerbittlichkeit der Naturgesetze und die Dichter singen schmerzerfüllt: das Menschenherz hat keine Stimme im finsteren Rate der Natur; aber das Unerbittlichste auf Erden ist eine menschliche Erfindung, ist das Geld und seine Gesetze, die nur der Teufel festgesetzt haben kann, denn der Anblick der Geldwirtschaft ist das einzige, was an den Teufel glauben lehren könnte. Das Geld hat uns aus der Natur vertrieben und uns in Gegensatz zu allen anderen Wesen gebracht. Der Bezirk des Geldes ist der Komplex aller jener Geschehnisse, die mit Natur nicht das Geringste zu tun haben, deren Ablauf allen Naturgesetzen entrückt ist, weil er das absolut Unnatürliche darstellt, so wie die Natur mit ihm nichts zu tun haben will, wie schon jener Börseaner im Gebirge bedauernd feststellte, von dem der Ausspruch stammt: Der Nebel steigt, der Regen fällt, und unsereiner kann nix dabei verdienen. Das Geld ist die unübersteigliche Schranke, die zwischen uns und der Möglichkeit des Wieder-Kind-Werdens, also dem Himmelreich, steht. Nur bei den Frauen, die mit dem Geld weniger als wir zu tun haben, ist noch ein Zipfelchen dieses Himmelreiches zu finden. Wo auch sie dem Geld verfallen (...), werden auch sie automatisch seelenlos. Neunzig Prozent alles Ärgers, alles Seelengiftes, aller Galle, neunzig Prozent aller Haßgedanken, neunzig Prozent aller Verbrechen, aller Morde, aller Selbstmorde und Verzweiflungsausbrüche, neunzig Prozent aller Qual, aller Not, aller Tränen haben heute irgendwie ihre Ursache im Geld. Menschen verhungern wegen des Geldes, Herzen brechen wegen des Geldes, Kinder verkrüppeln fürs Leben wegen des Geldes. Jeder Krieg ist ein Kampf ums Geld und um die trüben Quellen, aus denen es fließt, immer flüssig erhalten durch Beimischung von Blut und Tränen. Zahl' Dividende et impera! Und dieses Geld wurde angeblich erstmals zur Vereinfachung des Tauschverkehrs zwischen den Menschen geschaffen! Und hat heute die Erde ins komplizierteste Irrenhaus und in ein Labyrinth von kunstvoll angelegten Mördergruben verwandelt. Und wird immer und immer wieder auch heute noch gepriesen, weil es die Welt von den unvorstellbaren Schrecken eines unbequemen Naturalien-Tauschverkehrs bewahrt hat!
Man könnte lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre.
Wer das Geld erfunden hat, ist aus keinem Liede, aus keinem Heldenhaupt- oder Kassabuch zu erfahren. Wenn ich mich aber im Geiste in jene primitiven Zeiten zurückversetze, in denen es noch kein Geld, aber Glück und Lebensfreude gegeben hat, in denen noch niemand auf die Wahnsinnsidee verfallen war, das Rohprodukt aus dem Ausland einzuführen, das Halbfabrikat wieder auszuführen und das Fertigfabrikat noch einmal einzuführen, damit die Nationalökonomen etwas über den Segen der Arbeitsteilung zu schmusen haben, wenn ich mich frage, wer in jenen Zeiten, als die Menschen noch mit der Erde verbunden waren und die Begriffe Arbeitslosigkeit und Konjunktur noch friedlich nebeneinander in Abrahams Wurstkessel ruhten und noch nicht zum Dasein und Verschweinen des Lebens erwacht waren, wenn ich mich frage, wer in jenen Zeiten, in denen die Menschen das hatten, was sie brauchten, und nicht mehr brauchten als das, was sie hatten, auf die Idee des Tauschverkehrs gekommen sein kann, dann sehe ich die Hütten der Medizinmänner, Zauberer und Pfaffen vor mir, jener ersten Geschäftsleute, die zuerst die Furcht vor Geistern erzeugten, um hinterher an ihr profitieren zu können. Und ich sehe, wie sich vor den Hütten dieser ersten Unholde, die sich von der Erde lossagten, weil sie von der Dummheit mit mehr Bequemlichkeit zu leben hoffen konnten, die Lebensmittel zu Bergen türmen, Lebensmittel aus Weihegaben und Stolgebühren dort von den Ängstlichen niedergelegt. Und ich sehe hinter der Stirn des ersten Priesters angesichts der verderbenden Lebensmittel, die er aufzuessen nicht imstande ist, angesichts der für einen viel zu vielen gleichartigen Bedarfsgegenstände, mit denen er nichts anzufangen weiß, zum ersten mal den Gedanken auftauchen, man könne doch den größten Teil dieser Gegenstände bei Nachbarstämmen gegen andere Waren umtauschen, die mehr locken, weil sie hierzulande nicht zu sehen sind, und man könne von den Stammesgenossen statt der Lebensmittel die Ablieferung von Dingen fordern, die unverderblich und auch bei den Nachbarn geschätzt seien - des ersten Geldes.
Wenn man heute das Geld abschaffen und auch nur den Naturalien-Tauschverkehr wieder einführen wollte, hätte mehr als die Hälfte der abendländischen Menschheit nichts hinzugeben, um Lebensmittel dafür einzutauschen, und müßte verhungern. So weit sind wir glücklich durch das Geld, das den Menschen von der Erde losgerissen hat, gekommen. Aber die wenigsten merken es. Früher einmal hatte das Leben einen Zweck. Man lebte, um glücklich zu sein, machte damit andere glücklich und gedieh. Das einzige Lebensmittel, daß es gab, das einzige Mittel, das Leben zu erhalten und zu genießen, war die Erde und ihre Bebauung beanspruchte nur einen Bruchteil der Lebenszeit, da sich die Bedürfnisse innerhalb der Grenzen des Notwendigen hielten. Seit aber das Geld den Menschen von der Erde getrennt hat, ist das Geld statt der Erde zum obersten Lebensmittel, zum Spender aller übrigen Lebensmittel geworden. Die Bedürfnisse stiegen mit dem Aufhören ihrer Beschränkung auf dieProdukte des begrenzten Stückes Erde, das man bebaute, ins Uferlose, der Herbeischaffung des Geldes zu ihrer Bezahlung mußte immer mehr Zeit geopfert werden und schließlich wurde das neue Lebensmittel, das Geld, zum Lebenszweck. Statt Geld für das Leben hinzugeben, gibt man heute sein Leben für das Geld hin und nichts kann den irrsinnigen Zirkel, in den wir verstrickt sind, anschaulicher machen als der Gesang der Arbeiter in Upton Sinclairs Roman "Petroleum": "Wir arbeiten um Geld zu kriegen, Um Nahrung zu kaufen, Um Kraft zu haben, Um zu arbeiten, Um das Geld zu kriegen, Um Nahrung zu kaufen, Um die Kraft zu haben, Um zu arbeiten, Um das Geld zu kriegen, Um die Nahrung zu kaufen, Um die Kraft zu haben, Um zu arbeiten ..." usw., usw., bis einem der Atem aus- oder doch vorher noch ein Licht darüber aufgeht, wie herrlich weit wir es infolge des Geldes gebracht haben. Was die Arbeit, die einem solchen Tretmühlendasein entstammt, wert ist, drückt wieder Alfons Petzold, der Dichter, der selbst Arbeiter war, am überzeugendsten aus: "Da stehen sie und regen schwer die Glieder in den durchdampften Räumen der Fabrik. Ein jeder senkt auf seine Arbeit nieder den noterstarrten, teilnahmslosen Blick.//Sie sind nicht Menschen mehr, sind nur Maschinen, die in dem vorgeschriebenen Stundenkreis sich drehen müssen, ohne daß von ihnen nur einer seine Kraft zu schätzen weiß.//Sie können nimmer ihre Hände spannen nach ihrer Tage mühevollem Tun um eigene Werke; was sie begannen, muß halbvollendet tot im Dunkel ruhn.//Sie schaffen abertausend Gegenstände, sie machen viele Dinge stark und groß; doch ist nicht Gott im Regen ihrer Hände, und was von ihnen kommt ist Seelenlos."
(...) Auch die Vorschläge, das Geld zu reformieren, ihm einen unveränderlichen Wert zu verleihen und es dem Gepackle der internationalen Haderlumpen zu entziehen, die sich von der Ausnützung seiner von ihnen hervorgerufenen Wertschwankungen Yachten kaufen, halte ich nicht für zum Ziele führend und nur für relativ gut. Der größte Teil des Irrsinns, die Abhängigkeit von Konjunkturen und Krisen, bliebe dabei ja doch erhalten. Nicht deshalb ist das Geld verderblich, weil die, die es haben, durch alle möglichen Schiebungen seinen Wert, wie es ihnen gerade paßt, verändern können, sondern deshalb, weil es den menschen bloß auf seine Arbeitskraft stellt, die heute begehrt sein, morgen aber schon ohne jede Nachfrage bleiben kann, weil es ihn also in die Luft stellt. (...)
Der einzelne, der in dieses Irrenhaus ohne sein Zutun hineingegeben worden ist, kann natürlich weder das Geld abschaffen noch sich von der Industrie und Handel emanzipieren; benötigt er doch ihre Produkte, um ihren Geist zu bekämpfen und zu sagen und immer wieder zu sagen und es in alle Winde zu schreien, daß sie Geiseln der Menschheit sind. (...)
Die ganze abendländische Menschheit seufzt unter der Geißel des Geldes. Ganz wurst, ob Arbeiter oder Unternehmer, Arbeitsloser oder Kapitalist. Aber niemand kann es mit seiner Würde als moderner Mensch vereinbaren, zum Komfort endlich einmal: Geh fort! zu sagen. Die privatesten Angelegenheiten des Lebens, die Geburt eines Kindes, die Frage der Liebe und des Sterbens, alle diese Fragen sind heute schon zu reinen Geldfragen geworden und in Amerika hat sich sogar schon die Zeit in Geld verwandelt. Weg mit der Schweinerei!
Die Frage des Friedrich von Logau
"Wozu ist Geld doch gut?
Wer's nicht hat, hat nicht Mut.
Wer's hat, hat Sorglichkeit,
Wer's hat gehabt, hat Leid"
ist mit einem einstimmigen: Zum Krenreiben! zu beantworten. Die Juden haben recht: Das Berühren des Geldes macht unrein. Aber nicht nur am Sabbat, sondern an allen Tagen. Dann würde jeder Tag wieder ein Sabbat, das heißt: ein Festtag sein.
Quelle: Alphabet von Herbert Müller-Guttenbrunn
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