Bundeskanzler Kurz beschäftigt sich mit
„Hass im Netz“. Und Sozialministerin Hartinger-Klein kämpft gegen
„Sozialmissbrauch“. Beides zusammen geht so: Man stellt ein Video ins Internet,
auf FPÖ-TV.
Eine freundliche, junge Frauenstimme erklärt, warum Dank der FPÖ jetzt kein Sozialmissbrauch mehr möglich ist. „Das ist Ali. Ali geht heute zum Zahnarzt um seine Zähne auf Vordermann bringen zu lassen.“ Dazu hört man ihn hämisch lachen.
Ali, als Türke kenntlich dank seines Fez, seiner schwarzen Locken und seines Schnurrbarts, versucht es mit der e-card seines (irgendwie genau gleich ausschauenden) Cousins Mustafa. Denn Ali ist selbst gar nicht versichert. So sind sie, „die Türken“. Und am Ende lächelt Sozialministerin Hartinger-Klein süffisant in die Kamera und säuselt: „Ein Missbrauch soll verhindert werden, dass jene sich in unser Sozialversicherungssystem schummeln, die einfach keine Sozialversicherung gezahlt haben.“ Deshalb komme jetzt, dank der FPÖ ein Foto auf jede e-card. Was sie vergisst zu erwähnen: diese Maßnahme wird bis zu 15 Millionen € kosten.
Das rassistische Video war nur ein paar Tage online, dann wurde es wieder heruntergenommen. [1] Offenbar fanden ein paar Leute das Video unpassend, während Kanzler Kurz gerade nach Wien zu einer Konferenz gegen „Hass im Netz“ einlud. International wurde das Video wohl irgendwie missverstanden.
FPÖ Generalsekretär Christian Hafenecker konnte sich hinterher gar nicht erklären, wie das Video überhaupt auf FPÖ-TV erschienen ist. Es sei „durch ein Kommunikationsproblem online gegangen, ohne dass ich es vorher gesehen habe“. Und: „Ich hätte das so nicht online gestellt.“ Wir fragen uns, was er wohl geändert hätte. Er sei der Meinung, so Hafenecker, „dass man es anders hätte darstellen können“... „Wo viele Leute werken, passieren halt manchmal Fehler“. Und das war dann auch schon alles, was ihm dazu einfiel. „Ali“ ist auf FPÖ-TV freilich kein Unbekannter. Die identische Comic-Figur taucht schon in rassistischen Videos der FPÖ Oberösterreich von 2014 und 2017 auf, die auch nach Hafeneckers Rückzieher immer noch online waren.
Lassen wir einmal die Frage beiseite, wie ein Foto auf der e-card helfen soll, wenn die Türken eh alle gleich ausschauen. Und lassen wir auch den Hinweis beiseite, dass beim Erstkontakt mit dem Arzt auch bisher schon zusätzlich zur e-card ein Lichtbildausweis verlangt wird. Betrachten wir hingegen den Notstand, den die Regierung mit diesem Millionenaufwand abstellen möchte. Eine Anfrage im Parlament durch die Nationalratsabgeordnete Ulrike Weigerstorfer (Team Stronach) hat schon 2017 die skandalösen Tatsachen ans Licht gebracht, auf die die Regierung nun endlich reagiert:
Zwischen 2014 und 2016 gab es in Österreich 27 nachgewiesene Fälle [2], bei denen eine E-Card „verborgt“ oder nicht vom rechtmäßigen Besitzer benutzt wurde. Dabei ist ein „Schaden“ von nicht ganz 10.000,- € entstanden. Vielleicht haben die 27 "Sozialschmarotzer" (deren Herkunft wir nicht kennen) auch nicht nur ihre Zähne gerichtet, sondern dringendere Hilfe benötigt. Egal, um sie geht es ja ohnehin nicht. Die 15 Millionen € für das Passbild auf der e-card sind gut investiert, jedenfalls dann, wenn es um Stimmungsmache gegen "Fremde" geht.
[1] Übrigens, hier ist das FPÖ-Video zur
e-card noch immer dokumentiert. Für alle, die nicht glauben, dass es sowas
gibt: FPÖ Ali video - Austria - YouTube
[2] Und hier (auf Seite 5) findet sich die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von 2017: imfname_626413.pdf
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