Das Wohl der Schüler spielt so gut wie keine Rolle.

Arnulf Häfele


Kann man Politik in der Schauspielschule lernen? Mit dem Tricksen und Täuschen rund um die Bildungsreform bekommen wir jedenfalls ein filmreifes Sittenbild österreichischer Innenpolitik ins Haus geliefert. Das Wohl der Schüler, um die es doch eigentlich gehen sollte, spielt so gut wie keine Rolle. Die Reform war schon ausverhandelt, die notwendige
Zweidrittelmehrheit gesichert. Nur der Beschluss im Parlament hat noch gefehlt. Dann hat einer die Bildungsreform in die Luft gesprengt, der gar nicht am Verhandlungstisch saß. Sebastian Kurz hat von der Loge aus den Daumen nach unten gedreht. Und plötzlich war nichts mehr, wie es vorher war.



Harald Mahrer hat schon 2015 als schwarzer Staatssekretär mit der roten Unterrichtsministerin eine Bildungsreform abgeklatscht, von der er selbst so ergriffen war, dass er sie als „fast geil“ bezeichnete. Zum türkisen Wissenschaftsminister aufgestiegen, hat er am Donnerstag auch die zusätzliche Dreiparteien-Einigung der Koalition mit den Grünen abgesegnet. Aber dem Phantom der Schule passt diese Einigung nicht in den Kram. Sebastian Kurz hat vom fernen Kiew aus mitgeteilt: „Wenn es eine Einigung gegeben hätte, dann wüsste ich davon.“ Der grüne Klubobmann Albert Steinhauser wirft nun dem neuen ÖVP-Obmann Kurz knallhart vor, die Unwahrheit zu sagen. Der ließ schon von Kiew aus durchblicken, dass ihm eine Einigung mit den Freiheitlichen lieber wäre. Die wollen mehr Deutschklassen als Bedingung und lehnen wie er die Ausweitung der Modellregionen ab.


Die Haltung des türkisen Parteiobmanns ist eine Respektlosigkeit gegenüber Vorarlberg und sie schwächt überdies die Stellung des Landeshauptmanns, der in dieser Frage keine ideologischen Scheuklappen zeigt. Der Landtag hat in seltener Einmütigkeit beschlossen, eine Schule der Zehn- bis 14-Jährigen zu schaffen, in der Kinder aller Begabungen und Fähigkeiten miteinander und voneinander lernen können. Dazu müsste ganz Vorarlberg eine Modellregion für die Gesamtschule werden. Landeshauptmann Markus Wallner hat sich schon im Jänner 2014 bei seinem Parteifreund Vizekanzler Spindelegger dafür eingesetzt. Der sagte nur: „Ich bin ja nicht das Christkind, dass ich alles erfüllen kann.“ ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wäre für eine Vorarlberg-Lösung bereit gewesen, wurde aber lopatkamäßig ausgebremst.


Peinlich wird die Situation für Wissenschaftsminister Mahrer, der am Donnerstag mit Rot und Grün die Einigung über die ausgeweiteten Modellregionen erzielt hat und der nun nach dem Daumendreh seines Parteiobmanns so tun muss, als ob es diese Einigung nicht gegeben hätte. Er strebe eine Lösung vom Kindergarten bis zur Hochschule an, und die sei noch nicht erzielt, meint er als Ausrede. Ohne Grund hat er eine Junktimierung der Bildungsreform mit der Erschwerung des Hochschulzugangs erfunden. Und der von Kurz vorgeschobene liebenswürdige Vizekanzler Brandstetter meint dazu wie ein treuherziger Teddybär: „Nein, das glaube ich nicht, ich sehe weit und breit keine Junktimierung, nein, überhaupt nicht, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Erstaunlich, wie perfekt ein intelligenter Justizminister die Rolle des Naiven spielen kann.




Arnulf Häfele ist Historiker und Jurist.
Er war langjähriges Mitglied des Vorarlberger Landtags.


Link: Die Bildungsreform: Chronik eines unangekündigten Todes?

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