An die Gewehre, an die Gewehre!

Ein privater Verein aus Militärs und Polizisten führt Schießübungen durch und gedenkt der "Helden" von Wehrmacht und Waffen-SS. Droht eine rechte Geheimarmee in Österreich?
von: Nina Horaczek | aus FALTER 34/12
FALTER Wien Politik | 5 Kommentare

Die Soldaten sollen im Kampfanzug erscheinen, bei Polizisten ist die Uniform erwünscht. So steht es auf dem Anmeldeformular für den „Ersten Internationalen Hochgebirgsmarsch samt Schießen“, bei dem die Teilnehmer vergangenes Wochenende in der Gegend von Kaprun auf bis zu 2639 Metern Seehöhe durchs Gebirge marschierten. Organisiert wurde das militärische Wandern auf dem Gletscher vom „Militär Fallschirmspringer Verbund Ostarrichi“, kurz Milf-O.

„Es sind viele Soldaten dabei, aber auch Polizisten, Mitarbeiter der Justizwache und Zivilisten“, sagt Josef Paul Puntigam, Präsident des Milf-O und Bundesheer-Brigadier im Ruhestand. „Wir sind ein ganz privater Verein und möchten den jungen Soldaten Fallschirmspringen als Abenteuer anbieten“, sagt Puntigam.


Im Verteidigungsministerium ist man hingegen alarmiert. Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hat eigens eine Weisung erteilt. Eine Teilnahme von Soldaten im Dienst beim Hochgebirgsmarsch sowie das Tragen österreichischer oder ausländischer Uniformen wurde verboten. Denn der Milf-O ist keine Privatvereinigung von Uniformliebhabern; vielmehr ist er bereits in den vergangenen Jahren einschlägig aufgefallen.

Der Milf-O wurde im Jahr 2008 als „Kameradschaft Gleichgesinnter“ gegründet, zu den Vereinszielen zählen laut Statut die „Förderung des militärischen Fallschirmsprungsports“, die „Förderung der Wehrbereitschaft österreichischer Staatsbürger“ sowie die „Pflege und Festigung der Kameradschaft zwischen Personen mit gleicher Gesinnung“. Zu diesem Zweck geht der kleine Verein in zahlreichen Bundesheer-Kasernen des Landes ein und aus, organisiert gemeinsam mit dem Heeressportverband Schießübungen und bietet in Tschechien eine eigene Fallschirmspringerausbildung an.

„Zu Beginn war das eine sportliche Sache“, sagt ein hochrangiger deutscher Bundeswehrangehöriger, der den Verein in Österreich seit Jahren beobachtet, „aber mittlerweile haben die Herren die Grenzen des Patriotismus weit überschritten. Die stehen ganz, ganz weit rechts.“ Seinen Namen möge man bitte nicht in der Zeitung schreiben, ersucht der Bundeswehr-Angehörige, „weil diese Leute sind echt gefährlich“. Außerdem würde der Milf-O sogar mit paramilitärischen Organisationen wie der „Legion of Frontiersmen“, der auch Fremdenlegionäre angehören, in Kontakt stehen.

Der Milf-O klingt nicht nur militärisch, er ist auch straff organisiert und hat in den Bundesländern „Standortkommandanten“, „Kommandanten“ für die verschiedenen Bundesheerkasernen sowie für Polizei und die Justizwache und auch einen „Ansprechpartner für unsere deutschen Kameraden“.

Vereinspräsident Puntigam, in seiner aktiven Zeit Kommandant der Jägerschule Saalfelden und Infanteriechef des österreichischen Bundesheeres, nahm regelmäßig an der umstrittenen Gedenkfeier für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Gebirgsjäger der Wehrmacht im bayrischen Mittenwald teil. Seine Teilnahme an der Veteranenfeier am Kärntner Ulrichsberg kündigte er via Facebook mit „Wo Soldaten sind, bin ich auch“ an.  


Puntigam opponierte auch mit dem FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer gegen die Seligsprechung des katholischen Widerstandskämpfers und Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter. Gleichzeitig sind zahlreiche Mitglieder des Milf-O-Vorstandes Kommunalpolitiker der FPÖ, speziell in Salzburg.

Bei „Heldenfeiern“ für Wehrmachtsoldaten ist der Milf-O regelmäßig dabei. So etwa bei der jährlichen „Kretafeier“ im steirischen Feldbach. Oder bei einer Gedenkfeier für den „Stalingradbund“, ein Bündnis von Veteranen, die in Stalingrad für Hitler und gegen die Rote Armee kämpften. Dort sieht man auch einen Polizisten in Repräsentier-uniform mitmarschieren. Zu diesen Treffen lädt auch die „Kameradschaft vom Edelweiß“, ein „wehrpolitischer Verein“, dessen steirischer Landesobmann ebenfalls Puntigam ist. Von der Kretafeier 2011 berichtet die Milf-O-Vereinszeitung Adlerauge, dass in diesem Jahr „zwei besondere Haudegen und Ritterkreuzträger angereist waren“. Der eine, Viktor Vitali, war Kriegsfreiwilliger der Wehrmacht und bekam noch wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkrieges von Fallschirmtruppen-General Richard Heidrich das Ritterkreuz verliehen.

Die griechische Insel Kreta wurde im Mai 1941 von deutschen Fallschirmjägern besetzt, die zahlreiche Kriegsverbrechen an Zivilisten verübten. Bei den „Kretafeiern“ beim Fallschirmjägerdenkmal bei Feldbach werden von alten Veteranen stolz ihre Nazi-Orden getragen, hohe Vertreter des Bundesheeres hielten in der Vergangenheit Festansprachen, Soldaten in Uniform salutieren mit Sturmgewehren und Polizisten treten ebenfalls in ihrer Dienstuniform auf. Vor dem Denkmal verleiht Milf-O-Präsident Puntigam noch eigens kreierte „Schießabzeichen“ des privaten Militärvereins an junge Soldaten. Danach singen sie das Fallschirmjägerlied: „An die Gewehre, an die Gewehre!“

Gedacht wird bei der „Kretafeier“ aber auch der soldatischen „Helden“, die den Raum Feldbach 1945 kurz von der Roten Armee zurückeroberten. Auch die rechtsextreme Kameradschaft IV, die aus ehemaligen Mitgliedern und Freunden der Waffen-SS besteht, tritt in Feldbach auf. Diese Nazi-Organisation wurde vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt.

Der Milf-O ist auch im Ausland aktiv.In der Vereinszeitung Adlerauge ist zum Beispiel zu lesen, dass eine aus Gebirgsjägern der Bundesheer-Kaserne Saalfelden bestehende Milf-O-Mannschaft beim „internationalen militärischen Nachtwettkampf ,Polarstern‘“ in Köln teilgenommen habe. Die Soldaten mussten dort ihr Können „am deutschen Sturmgewehr G 36, an der Panzerfaust 3“ und „im Pionierdienst“ beweisen und gewannen prompt den Goldpokal.

Ein anderes Mal testeten Mitglieder des Milf-O gemeinsam mit Unteroffizieren, Bundesheer-Rekruten und einem Wiener Polizisten bei einer Übung der tschechischen Polizei in Pilsen Sturmgewehre und Maschinenpistolen. „Diese rechten Kameraden erhalten über das österreichische Bundesheer die Möglichkeit, bei der deutschen Bundeswehr Ausbildungen in den Elitetruppen zu absolvieren“, ärgert sich der Soldat der deutschen Bundeswehr, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Oder die ausländischen Kameraden kommen zu Besuch nach Österreich. Der „bayerische Soldatenbund“ konnte auf einem Schießplatz in Niederösterreich „mit Großkalibergewehren der Marke Heckler & Koch SL 7 und Steyr AUG StG 77“ das Schießabzeichen des Milf-O „erringen“. Ermöglicht worden sei dies durch die „hervorragenden Kontakte“ eines Bundesheer-Vizeleutnants, der ebenfalls im Vorstand des Milf-O sitzt.

Überhaupt nützt dieser Verein Bundesheereinrichtungen, als wäre er Teil des Heeres, darf sich bei Tagen der offenen Tür in verschiedenen Kasernen präsentieren, hat in der „Heeresunteroffiziersakademie“ in Enns sogar eine eigene Informationsecke zur Verfügung gestellt bekommen.

Im Verteidigungsministerium heißt es, derartige Kooperationen würden nicht zentral geregelt, sondern seien Sache der einzelnen Kasernenkommandanten. Derzeit werde aber ein Antrag des Milf-O auf Anerkennung als „wehrpolitischer Verein“ vom Ministerium geprüft. Sollte die Prüfung negativ ausfallen, werde eine entsprechende Information sofort an alle Kommandanten weitergegeben.

Im Innenministerium stört man sich gar nicht daran, dass Polizisten in Uniform an umstrittenen Gedenkfeiern für Soldaten Nazideutschlands teilnehmen. „Es gibt kein Verbot, Uniformen in der Freizeit zu tragen, und auch die Mitgliedschaft in legalen Vereinen ist nicht untersagt“, erklärt der Sprecher des Innenministeriums.

Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser, der den Milf-O seit längerem beobachtet, fordert für das Heer „endlich einen klaren Traditionserlass, der vorschreibt, dass kein Soldat an Veranstaltungen oder Vereinen, die die Wehrmacht glorifizieren, teilnehmen darf. Dass die Polizei gar keine Regeln gegen derartige rechtsextreme Umtriebe hat, ist überhaupt ein Skandal“, sagt Steinhauser. Das begünstige, dass rechtsextreme Kreise versuchen, staatliche Strukturen zu unterwandern.

Präsident Puntigam weist hingegen jeden Vorwurf rechtsextremer Umtriebe im Heer entschieden zurück. „Wir haben überhaupt keine Ideologie außer dem Sport-Fallschirmspringen.“ Beim rechten Ulrichsberg-Treffen sei er noch nie gewesen, er habe lediglich zu einem Treffen einer „Wandergemeinschaft ehemaliger Soldaten“ auf dem Ulrichsberg aufgerufen. Außerdem sei er seit 1964 Mitglied beim ÖAAB, einem der Bünde der ÖVP. Darüber hinaus inseriere das Heer in seiner Vereinszeitung und finanziere das Blatt so mit. Wie er sich dann erkläre, dass gegen seinen Verein derart massive Vorwürfe wegen rechtslastiger Umtriebe erhoben werden? „Der Neid“, sagt Puntigam, das ist der reine Neid, der uns entgegenschlägt“. 



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