Workingman's Death
Arbeitsbeschaffung: / Besonders übel wird mir immer, wenn ich irgendwo das Wort "Arbeitsbeschaffung" höre oder lese und wenn mir irgendwer mit tiefsinniger Miene die Um- und Auf- Weisheit aller Gehirnweichen Volkswirtschaftler zuflüstert: alles würde gut werden, wenn es nur gelänge, "die Arbeitslosen wieder in den allgemeinen Arbeitsprozeß einzugliedern."
Gliedert nur ein, ihr superklugen Laberln, und bildet euch weiter ein, ihr könntet den gestörten "allgemeinen" Arbeitsprozeß, den es natürlich ebensowenig gibt wie einen allgemeinen Verdauungsprozeß, durch ein paar Notverordnungspillen wieder in Gang zu bringen. Meiner Treu, manchmal möchte ich vor nichts zurückscheuen und wünschen, nur einmal wenigstens fünf Minuten lang den Kopf eines solchen Wirtschaftsphilosophen aufzuhaben, um authentisch feststellen zu können, wies da drinnen aussieht! Vermutlich so wie auf der Erde am zweiten Schöpfungstag: teils wüst, teils leer. Arbeitsbeschaffung! - man stelle sich nur einmal vor, welche Fülle geistiger Verbogenheit in diesem Wort verborgen liegt! Erstens wird mit ihm gesagt, daß es ganz wurst ist, was gearbeitet wird, und daß es nur darauf ankommt, daß gearbeitet wird. Wir haben hier also wieder einmal ein deutliches Symptom jener heute überall grassierenden irrsinnigen Sucht, jedes Mittel zum Leben zum Zweck des Lebens umzulügen. Und zweitens liegt in dem Wort "Arbeitsbeschaffung" die haarsträubende Feststellung, daß es Leute mitten unter uns gibt, denen Arbeit, also jene Tätigkeit, ohne die in unseren Breiten der Mensch gar nicht leben kann, erst von anderen verschafft werden muß, die also, obwohl erwachsen, so hilflos sind wie Säuglinge, denn auch diesen müssen die Dinge, ohne die sie nicht leben könnten, von anderen verschafft werden. Daß solche Hilflosigkeit überhaupt möglich ist, zeigt dem, der durch die Nationalökonomie noch nicht verrückt gemacht worden ist, deutlich, nicht nur wo das Leiden sitzt, sondern, daß es auch viel tiefer sitzen muß als in der Störung eines "allgemeinen" Arbeitsprozesses, der nirgends in der Natur, sondern nur in der Einbildung jener Leute existiert, die von der Rabies complicatorica, von der krankhaften Wut, einfache Zusammenhänge zu verwickeln, befallen sind. Die Ursache des Leidens der Arbeitslosigkeit sitzt so tief, daß sie gar nicht tiefer sitzen kann, denn sie sitzt im Grunde d.h. im Mangel des Grundes, der Erde für jeden Menschen. Die Leute, die über die Arbeitsbeschaffung und den allgemeinen Arbeitsprozeß reden, sind zwar in Beziehung auf den ausgefallensten Blödsinn furchtbar gescheit, aber dass Einfache und Naheliegende erfassen sie nicht. Nämlich: Daß es Arbeit für sich allein gar nicht geben kann, sondern daß zur Ermöglichung der Arbeit vor allem etwas da sein muß, was bearbeitet wird, ferner eine Stätte, wo gearbeitet wird, und schließlich etwas, womit gearbeitet wird. Die Leute aber, die sich heute Arbeiter nennen, haben weder das erste noch das zweite noch das dritte, können also gar keine Arbeiter sein, sondern sind nur Sklaven. Das, was zu bearbeiten wäre (der Grund und Boden der Rohstoffe), das, wo gearbeitet wird (die Werkstätten und Fabriken) und das, womit gearbeitet wird (die Werkzeuge und Maschinen) gehören einer ganz kleinen Clique von Besitzenden, deren Handeln lediglich durch die Aussicht auf den Profit bestimmt wird.Diese Leute sperren eben in einer Zeit wie der heutigen - ich möchte fast sagen: einem Naturgesetz folgend - ihre Bude zu und wenn sich alle Wirtschaftsphilosophen deshalb auf den Kopf stellen und die Beine ringen über die unmöglich gemachte Arbeitsbeschaffung und den gestörten "allgemeinen" Arbeitsprozeß. Da hilft kein volkswirtschaftliches Trankerl, keine "Formel" und keine Konferenz, die sie in den Pausen zwischen den einzelnen Mahlzeiten von ihren Teilnehmern suchen läßt, da gibt's nur Eines: die Leute, die die Quelle, an der sie sitzen, mit ihrem Besitzfleisch verstopfen und zusehen, wie andere verdursten, davonzujagen und auch jenen Kerlen lange Beine zu machen, die ihren Großgrundbesitz nur extensiv bewirtschaften - ein Großgrundbesitz kann nur extensiv bewirtschaftet werden - und zusehen, wie die, die von ihm leben könnten, verhungern. Denn daß der Besitzer eines genügend großen Grundstückes arbeitslos geworden wäre, das war noch nicht da, seit die Welt steht. Und wer für seinen Bedarf Werkstoff und Werkzeug besitzt, der kann logischerweise erst dann arbeitslos werden, wenn er nichts mehr bedarf, also wenn er tot ist.
Quelle: Alphabet von Herbert Müller-Guttenbrunn
Filmtipp: Workingmans death
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