Türen gehen auf 13 / 30.01.2013


Briefe an die Bewohner/innen einer Stadt

Von Gabriele Bösch

Der Fischweiher im Ried, die alte Eiche dort, der Schlosswald, die Schwertlilienfelder, die Güll, die Frutz, der ganze Wald am Kummenberg und der alte Rhein in Hohenems:

Das waren meine Lieblingsplätze in der Kindheit und Jugend, meine Lieblingsplätze in der Realität. Die vielen anderen geliebten Orte lagen zwischen Buchdeckeln, wurden in Worten beschrieben und waren auf besondere Weise genauso real. Die Naturschönheiten Koblachs und alle Gegenden, durch die Winnetou geritten ist. Das war in den 60ern und Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts (! Wie furchtbar das klingt!), als man andererseits durchaus noch Hausmüll und Elektroschrott im Ried versenkte.
Es gibt Werte, die bleiben immer gleich

Am vergangenen Sonntag ging ich durch die Schillerallee und betrachtete die Ausstellung, die die Jugendlichen der OJAH (Offene Jugend-Arbeit Hohenems) gestaltet haben. Sie waren aufgefordert worden, ihre Lieblingsplätze in Hohenems zu fotografieren. Und ich stand da, sah und schmunzelte. Es gibt Werte, die bleiben immer gleich. Jugendliche haben einen untrüglichen Sinn für Schönheit, für Naturräume, in denen man sich erholen kann, weil der Geist sich weiten kann:
Kein einziger Innenraum ist da fotografiert, keine „Beiz“, sondern Schillerallee, Emsbach, Wald, eine blühende Rosenhecke, der Schlossplatz und natürlich der Skaterplatz und der alte Rhein. Was noch gleich geblieben ist zu meiner Jugend: Fahrräder, Liegestühle, Holz und Feuer und immer ein Ball. Nur die Slackline ist neu, wir sind damals auf allen Geländern balanciert.
Wie schön sind diese lachenden Gesichter auf den Fotos: Von innerer Freude, die noch nicht erloschen ist, erzählen sie, von einer riesengroßen Kraft und von Freiheit. Das Gefühl von Freiheit ist das Einzige, aus dem heraus man wirklich kreativ sein kann. Und neue, kreative Ansätze braucht diese Welt dringender denn je. Was für ein Potential hat die Stadt Hohenems da, da sie doch unter allen Städten Österreichs in Relation zu den Bewohnern den zweithöchsten Jugendlichen-Anteil hat! Wir müssen dieser Jugend nur genügend Freiraum geben: im öffentlichen Raum, im Denken und im Handeln.
 

Eine Ode an die Jugend

Nächstes Jahr werde ich 50, aber im Grunde fühle ich mich gar nicht so alt. Ich denke, den meisten von uns geht es ganz ähnlich: Wenn auch die Jahre hinauf gezählt werden, spüren wir doch, dass es da ein Areal in uns gibt, in welchem wir nie altern. Etwas in uns bleibt immer jung – weil jene Jugendjahre mit der Kraft der Visionen verbunden waren: Wir träumten von der großen Liebe, von einem erfüllenden Beruf, vom eigenen Haus, von Kindern, vom Tilgen des Hungers in der Welt, von der Bewahrung des Regenwaldes und so weiter… Wir ließen uns nicht sagen: Das geht nicht.
Wenn wir in uns gehen, können wir das immer noch fühlen, diese Kraft der Vision, die uns handeln ließ. Schritt für Schritt sind wir auf sie zugegangen. Vieles ist uns dabei gelungen, vor allem das Persönliche. Anderes ist auf der Strecke liegen geblieben, eine größer angelegte Veränderung der Welt, oder auch nur der Stadt. Da gälte es jetzt noch einmal genau hinzusehen. Aber wie?
 

Vernetzung

Letzthin dachte ich darüber nach, wie wir vernetzt sind. Wir telefonieren, wir schreiben mails, sind auf facebook oder twitter – permanent, quer durch die Welt. Ich nannte das die „horizontale Vernetzung“. Diese „horizontale Vernetzung“ ist eine beinah zeitgleiche, dachte ich, sie bleibt flach, da wir nur in der Gegenwart „vergleichen“ und so unsere Entscheidungen treffen.
Was fehlt, ist die „vertikale Vernetzung“, eine tiefe Vernetzung durch die Zeiten hindurch, eine Vernetzung mit sich selbst, um die eigene Einzigartigkeit zu erkennen. Nehmen Sie sich einmal einen Moment Zeit, schließen Sie die Augen. Gehen Sie zurück zu dem Jugendlichen, der Sie selbst waren, schauen Sie Ihre Träume an, was daraus geworden ist – und warum. Dann gehen Sie in die Zukunft, führen Sie ein Gespräch mit ihren realen oder fiktiven Enkeln, betrachten Sie, in welcher Welt diese leben, in welcher Gesellschaft – und dann kommen Sie in die Gegenwart zurück. Rück-Sicht und Vor-Sicht ergeben meines Erachtens Ein-Sicht. Und diese Ein-Sicht ist der beste Boden, um nachhaltig zu visionieren.
Das gilt auch für eine Stadt. Eine nachhaltige Vision für eine Stadt ist ein „sich entwickelndes Leitbild, das den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“ (Zitat aus jener Broschüre, die ich in Brief 11 erwähnte)
Deshalb müssen wir auf die Jugend hören – auf unsere eigene vergangene Jugend, auf die gegenwärtige Jugend und auch auf die möglich zukünftige!
 

Einladung an die Jugendlichen

Deshalb liebe Jugendliche lade ich euch herzlich ein, an der Zukunftswerkstatt teilzunehmen! Wir brauchen euch. An den beiden Samstagen dem 23.2.2013 und 9.3.2013 von 8.30 Uhr bis 17.30 Uhr findet die Zukunftswerkstatt in der Otten Gravour statt. Meldet euch doch bitte auch an! Anmeldung online auf www.hohenems.at/vision oder mit dem Coupon des Gemeindeblattes.
Und alle anderen bitte ich, sich den Funkensamstag, den 16. Februar zu notieren. Da werden uns Jugendliche der Fa. Collini unter künstlerischer Leitung von Günther Blenke den neu gestalteten Weg vom Ort der Vergangenheit=Frohe Aussicht zum Ort der Zukunft=Visionscafé präsentieren. Ein tiefer Austausch zwischen Generationen, zwischen Kulturen, zwischen Geschlechtern, zwischen Menschen. Für ein verbindendes Miteinander.

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