Türen gehen auf 28


Briefe an die Bewohner/innen einer Stadt

Von Daniela Peter
 

Eine Vision existiert unabhängig davon, ob man sie für machbar hält oder nicht.

Wahrscheinlich ist sie eine Schwester der Sehnsucht, eine Empfindung, die sich in kraftvollen Bildern und Gedanken bemerkbar macht, die stetig, mal bewusst aber viel öfter unbewusst, mit Energie gefüttert wird.

Das sind bereits etliche unsichtbar vollzogene Schritte.

Dazu, wie konkret eine Vision werden kann, habe ich selbst eine wunderbare Erfahrung gemacht. Als Jugendliche habe ich viel von meiner Freizeit in Feldkirch verbracht. Ich mochte das Altertümliche der Gebäude, die Arkaden, den Dom und die Plätze in der Innenstadt. Ich hatte die Vorstellung von großen, hohen Räumen, die zu bewohnen ich mir wünschte. Einige Jahre habe ich diese sehnsüchtigen Bilder vergessen, aber es kam mir natürlich wieder in den Sinn, als wir als Jungfamilie auf Wohnungssuche waren im halben Land. So ließ ich zu gegebener Zeit die Bilder wieder aufleben und wir bekamen eine für unsere finanziellen Verhältnisse erschwingliche Wohnung in der Innenstadt, mitten in der Fußgängerzone – ja, ich habe gestaunt und staune nach wie vor.
Die Inkubationszeit ist ein wesentlicher Faktor für das Entstehen langlebiger Umsetzungen in die Wirklichkeit. Wichtiges geht nicht verloren, es wird zum rechten Zeitpunkt umgesetzt.

Wer in einer Fußgängerzone gelebt hat, weiß, wie angenehm und kommunikationsfördernd eine autofreie Atmosphäre ist und wie sehr eine lärmfreie Situation Geschäftsleute und Privatmenschen verbindet.

Wie eine Umgebung visuell und akustisch gestaltet ist (mit oder ohne Straßenverkehr), macht einen großen Unterschied in der zwischenmenschlichen Begegnung. Zuhause stelle ich auch den Staubsauger oder den Rasenmäher aus, wenn ich mich mit jemandem unterhalten will, soweit leuchtet das jedem ein. Eine Fußgängerzone weitet den Wohnraum (auch Geschäftsraum) jedes einzelnen, vor allem Kinder nehmen diese Öffnung sofort wahr und den entstandenen Freiraum in Besitz. Man wohnt dann auch ein wenig im Schuhgeschäft, in der Eisdiele, im Kebaphaus, im Café oder Museum um die Ecke, auf dem Spielplatz und im Park, das macht das Stadtleben schön kuschelig.
Farben der Marktstraße

Beim Spaziergang mit Fotoapparat durch die Marktstraße ist mir die Farbgebung der Gebäude im Gedächtnis geblieben. Die Fassadenfarbe des einen Hauses findet sich im Fensterladenanstrich eines anderen Gebäudes, die sanften Beige-, Braun-, Gelb-, Grün- und Blautöne ergeben ein stimmiges, warmes Ambiente.
Ob diese Übereinstimmungen bereits gewollt umgesetzt wurden, weiß ich nicht, aber ich finde, solche wesentlichen Merkmale sollten in der Planung für ein weiterführendes Stadtbild Berücksichtigung finden. Es gibt zahlreiche schöne Details in der Innenstadt, deren Erhalt sich lohnt.

Weitere Überlegungen wandern schon des längeren durch meinen Kopf und Bauch. Und zwar habe ich mir überlegt, was ich gerne vorfinden würde, käme ich als Besucher in eine mir unbekannte Stadt. Meistens wünscht man sich ja, etwas über die Menschen zu erfahren, die hier leben. Und da habe ich mir vorgestellt, wie wunderbar es wäre, man könnte sich zu einer Stätte der Poesie begeben, am besten in der freien Natur, um dort die Lieblingsgedichte der Ortsbewohner zu lesen, Gedichte die an Bäumen hängen, auf Steinen stehen, auf beschrifteten Bänken zu lesen sind usw. usf. Dies könnte auch der Ort sein, an dem man auf den Sitzgelegenheiten fertiggelesene Bücher liegen lässt, damit sie nächste Leser finden ... (das gibt es bereits, ich weiß leider nur nicht mehr wo), einen WortOrt, einen Ort der Inspiration.
Es wäre eine einfache aber wirkungsvolle Möglichkeit, sich ein wenig einzufühlen und Kontakt aufzunehmen mit Mensch und Natur auf diesem Fleckchen Erde.
Nun, zum Schluss noch ein ganz anderes Thema weil mir die Bildung am Herzen liegt.
Ich visioniere gerade eine UniUni, eine universale Universität, die allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten off en steht. Ja ich weiß das ist jetzt doppelt gemoppelt, aber der Begriff Universität hat sich schon so weit von seiner eigentlichen Bestimmung entfernt, dass ihm kaum mehr Kraft innewohnt und so bin ich geneigt, zur Verdoppelung zu greifen. Die UniUni lehrt, wie der Name schon sagt alles (es darf alles entstehen, was das Seinforcieren - ein Wort, das noch nicht existiert - und die Selbstfindung unterstützt) auf der Ebene des Tuns. Damit das Tun immer im Mittelpunkt steht, werden die Fächer nach Tätigkeiten benannt. Und da dürfen auch neue Verbindungen zwischen den Fächern entstehen wie z. B. harmonieren und musizieren, fabulieren und formulieren, multiplizieren und abstrahieren, politisieren und referieren, philosophieren und kalligrafieren, fotografieren und fantasieren, kultivieren und schnabulieren, skizzieren und architektieren (mmmhm das Wort gibt es auch noch nicht) um nur ein paar zu nennen, die Liste kennt kein Ende, ganz so wie der Visionsprozess.

Da mischen sich dann bei harmonieren und musizieren vielleicht Verhaltenspsychologie, Sozialkompetenz und Sounddesign und bei kultivieren und schnabulieren Naturkompetenz, Gemüseanbau und Kochkunst, bei multiplizieren und abstrahieren Rechnen, Chemie und Zeichnen?? Ich habe das Gebäude dazu schon gesehen, es stand als Modell auf meinem Tisch, ein gerollter Karton, der auf der Papierkante steht – Symbol für ein unbeschriebenes Blatt ... Das Projekt braucht natürlich keinen Bau, es ließe sich auch in einer alten leerstehenden Kartonagenfabrik beginnen, egal wo – unbeschriebene Wände und Blätter gibt es schließlich überall.

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