Da sollte sich die Stadt Hohenems mal ein Beispiel nehmen!

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Foto: LandLuft/ das Musikprobelokal in Batschuns.

Seit mehr als 30 Jahren fährt die Vorarlberger Gemeinde Zwischenwasser ein ambitioniertes Baukultur- und Architekturprogramm - Stippvisite in der "Besten Baukultur-Gemeinde" Österreichs

Vorarlberg, Gemeinde Zwischenwasser, Mai 1980. Kaum im Amt, veranlasst Neo-Bürgermeister Josef Mathis eine massive Reduktion der Baulandreserven und eine Rückwidmung in Grünland. Es geht um viele Hektar Land. Das Verfahren dauert einige Jahre und endet mit einer Klage des Landesvolksanwalts beim Verfassungsgerichtshof. Abgewiesen.
Mehr als 30 Jahre später ist Josef Mathis (ÖVP) immer noch im Amt. Und die Korrektur des Flächenwidmungsplans anno 1980 ist eine gern erzählte Anekdote, denn mit ihr kam alles ins Rollen. "Die Rückwidmung von Bauland in Grünland war ein Kraftakt der Sonderklasse", erinnert sich der Bürgermeister. "Aber es hat sich ausgezahlt, und die Bevölkerung hat trotz anfänglicher Proteste verstanden, dass nicht die ganze Welt Bauland sein kann, dass man nicht immer nur zersiedeln darf, sondern auch einmal konzentrieren muss."

In den nächsten Jahren führte ein Pilotprojekt zum nächsten. 1990 wurde eine neue Volksschule eröffnet. Das Gebäude von Hermann Kaufmann, Walter Unterrainer und Sture Larsen war die erste solarbeheizte Schule Österreichs. 1994 wurde der Frödisch-Saal errichtet, ein Mehrzweckgebäude mit Biomasseheizung. 1997 schließlich wurde eine der ersten Passivwohnhausanlagen des Landes besiedelt. Es folgten ein Musikproberaum, eine Friedhofskapelle, ein Altenpflegewohnheim sowie diverse Einfamilienhäuser, die allesamt mit Architekturpreisen zugehagelt wurden.
Ein Mekka für Architekturfans
Zwischenwasser, ein Zusammenschluss der drei Ortschaften Muntlix, Batschuns und Dafins, mauserte sich im Laufe der Jahre zum Architektur-Mekka und wurde 2009 vom Verein LandLuft als beste Baukultur-Gemeinde Österreichs ausgezeichnet.
Doch das Besprechungszimmer im Gemeindeamt ist noch viel redseliger. Die Wände sind mit dutzenden Urkunden und Auszeichnungen zutapeziert: Klimaschutz-Gemeinde 2010, Energieeffizienteste Gemeinde in Europa 2009, Climate Star 2007, Europäischer Dorferneuerungspreis 2004, European Energy Award Gold 2002, Greenpeace-Gemeinde für Klimaschutz 1993 und so weiter. Die gerahmten Trophäen nehmen kein Ende. Nicht zuletzt ist Zwischenwasser eine der ersten zertifizierten e5-Gemeinden Österreichs. Das ist eine Art AAA-Auszeichnung für Ressourcenschonung und Energieeffizienz.
Kein Geheimnis
Wo liegt das Geheimnis dieses Erfolges? "Es gibt kein Geheimnis", meint Mathis, der beruflich mit einem elektrischen Mitsubishi i-MiEV geräuschlos durch die Gegend rollt. "Ich dachte mir damals nur: Wenn du die Gestaltung der Gemeinde nicht selbst in die Hand nimmst, dann machen das die anderen für dich." Die anderen - das seien in dem Fall die Baukonzerne und Fertighausfirmen, erklärt er. "Und die mag ich sowieso nicht, denn die machen alles nur kaputt."
Damit es nicht so weit kommt, richtete Mathis 1992 einen Fachbeirat für Architektur ein. Die zweiköpfige Jury, die alle drei Jahre wechselt, beurteilt jedes einzelne Bauansuchen, segnet es ab oder gibt konkrete Verbesserungsvorschläge. Außerdem wird im Gemeindeamt eine kostenlose Planungsberatung für Bauwerberinnen und Bauherren angeboten. "Das erspart uns allen unangenehme Verzögerungen", sagt der Zwischenwasser-Chef. "Planungsfehler können auf diese Weise schon im Vorfeld abgefedert werden."
Nicht zuletzt gibt es in der Gemeinde Zwischenwasser zwei sogenannte "Kümmerer". Das sind kompetente und fachlich ausgebildete Profis, die von der Bevölkerung als Gutachter beziehungsweise objektive Beratungsinstanz in Anspruch genommen werden können - falls man mal vom Dachdecker an der Nase herumgeführt wird oder nicht weiß, wen man am besten kontaktiert, wenn der Biomasse-Kessel wieder mal spinnt. Auch dieser Service ist kostenlos.
Freiwillige Mitarbeiter
"Eigentlich ist Baukultur watscheneinfach", meint Mathis. "In erster Linie hat es damit zu tun, dass man die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert und in die Projekte miteinbezieht." So geschehen beim Bau der Aufbahrungshalle in Batschuns 2002. Die Architekten Marte.Marte hatten ein einfaches, schönes Gebäude geplant, doch die arbeitsintensive Errichtung aus Stampflehm hätte das Budget der Gemeinde gesprengt. Eine Gemeinderätin hatte damals die Idee, im Ort nach freiwilligen Helfern zu suchen. 24 Leute meldeten sich zu Wort, schlüpften in den Blaumann und packten mit an. Manche nahmen sich sogar zwei Wochen Urlaub oder ließen sich karenzieren.
Und bei der Sanierung des Mitdafinerhuses in Dafins, in dem alte Menschen betreut werden, nahmen sich ein paar Bürger ein Herz, bauten das heruntergekommene Rheintalhaus zum modernen Wohnheim aus und vermieten die elf Kleinwohnungen nun an die Gemeinde zurück. Vis-à-vis befindet sich der Dorfladen "Sennerei", der jede Woche an drei Halbtagen geöffnet hat. Die Miete übernimmt die Gemeinde, denn hier geht es nicht ums Geschäft, sondern um den sozialen Kontakt zur Bevölkerung. Im Geschoß darüber gibt es eine Notwohnung, die im Scheidungsfall oder bei familiärem Zoff Bedürftigen zur Verfügung steht.
Weniger Strom, weniger CO2
Geschichten wie aus dem Bilderbuch. Doch hinter den Elektromobilen, dem kleinen Greißler und den vielen Sonnenkollektoren auf den Dächern steckt ökologisches Kalkül. Der Stromverbrauch beträgt mit 3000 Kilowattstunden pro Kopf weniger als die Hälfte des restlichen Bundeslandes. Und während der CO2-Ausstoß der Haushalte inklusive Mobilität jährlich steigt, konnte er in Zwischenwasser in den letzten acht Jahren um 6,7 Prozent gesenkt werden.
"Davon brauchen wir mehr", sagt Roland Gruber, Obmann des Vereins LandLuft, auf Anfrage des STANDARD. "In den Großstädten ist hochwertige Architektur längst eine Selbstverständlichkeit. Unser Ziel ist es nun, die Baukultur auch im ländlichen Raum zu fördern und den Bürgermeistern und der Bevölkerung zu beweisen, dass sie etwas ändern können." Zwischenwasser, meint Gruber, sei das beste Beispiel dafür, dass die Bemühungen der letzten Jahre Früchte trügen.
Am Nachfolge-Champion wird bereits gearbeitet. Die 17 Kandidaten für den Baukultur-Gemeindepreis 2012 befinden sich seit Freitag in Begutachtung. Die Jury ist auf Achse und nimmt die Dörfer unter die Lupe. Im Herbst werden die Preisträger der Öffentlichkeit vorgestellt. (Wojciech Czaja, 
DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.1.2012)

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