Stellungnahme der Ärztekammer zur Substitutionstherapie


Während Priem. Dr. Reinhard Haller, OA Dr. Roland Wölfe und Dr. Herbert Mayrhofer im Gleichschritt mit der FPÖ ihre frustgeschwängerten Moralapostelverdichtungen in Sachen “Substitutionskandal” zum Besten gaben (siehe http://www.vol.at/primar-haller-zu-substitionstherapie-groesster-medizinskandal-oesterreichs/3676093), möchte ich an dieser Stelle die Stellungnahme des sicherlich kompetentesten Ärztevertreters Vorarlbergs veröffentlichen.

Euer Bernhard

Stellungnahme von Dr. Franz Riedl, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, zuständiger Referent der Substitutionsärzte in der Vorarlberger Ärztekammer:
 

Keine Panik unter den Suchtexperten!

In Ihrem Artikel vom 22.08.2013 wurde die Drogenersatztherapie als mehr schädlich als nützlich und die Verordnung von Morphine als großes Problem dargestellt. Dieser Darstellung muss ich als zuständiger Referent der Vorarlberger Ärztekammer entschieden widersprechen.
Nur 10 % der Suchtkranken können durch Hilfsangebote eine anhaltende Abstinenz erreichen. 90 % werden rückfällig, und ein Teil davon verstirbt leider an den Folgen der Sucht. Abstinenzorientierte Therapieangebote sind sinnvoll, erreichen aber nur einen verschwindend geringen Prozentsatz der Betroffenen.
Mit der Ersatzdrogentherapie können wesentlich mehr Suchtkranke erreicht und in eine Behandlung eingebunden werden. Etwas mehr als ein Drittel der Substituierten können so wieder einer Arbeit nachgehen und in die Gesellschaft integriert werden.
Die Ersatzdrogentherapie wird heute weltweit überwiegend als Langzeitbehandlung einer chronischen Erkrankung verstanden und ist eine seit Jahrzehnten etablierte Therapieform. Wie bei der Zuckerkrankheit ist auch bei der Drogenabhängigkeit nicht zu erwarten, dass nach einer mehrmonatigen Einnahme von Medikamenten bereits eine Heilung eingetreten ist. So wie Diabetiker oftmals ein Leben lang ihre Medikamente nehmen müssen, sind auch Opiatabhängige oftmals ein Leben lang auf unterstützende Medikation angewiesen, um den Alltag zu meistern.
Zur Behandlung von chronischen Krankheiten ist auf die individuelle Situation des Betroffenen Rücksicht zu nehmen. So wie es zur Behandlung der Zuckerkrankheit diverse Mittel gibt und diese bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich hilfreich sind, so ist es auch bei der Behandlung von Suchtkrankheiten. Methadon ist ein gut erprobtes Mittel dafür, aber man kann damit nur einen begrenzten Teil der Patienten behandeln. Dafür sind in verschiedenen europäischen Ländern (zuletzt auch in der Schweiz) neben anderen Substanzen auch Morphine von der Gesundheitsbehörde zugelassen worden.
Der Anteil der Morphinverschreibungen in der Substitutionsbehandlung in Vorarlberg beträgt lediglich 16 %. 84 % der Betroffenen erhalten hierzulande ohnehin andere Medikamente. In anderen Bundesländern beträgt der Anteil der Morphine mehr als 60 %. Die Situation der Behandlung in Vorarlberg gibt somit überhaupt keinen Anlass für einen „Hilfeschrei“.
Der intravenöse Konsum („Spritzen“) von Substitutionsmittel wird wiederum nur von den Schwerstkranken praktiziert und ist als Symptom der Krankheit zu verstehen. Anstatt etwas verbieten zu wollen, was ein Ausdruck der Erkrankung ist, sollte eine vernünftige Drogenpolitik besser Vorkehrungen treffen, dass Folgekrankheiten wie Lebererkrankungen (Hepatitis C, HIV) verhindert werden. Dafür hat die Schweiz ja schon vor Jahren sehr erfolgreich auf die Abgabe von Heroin an Schwerstkranke gesetzt. Bernhard Amann hat mit seiner Aussage Recht, dass es in Vorarlberg dringend weitere zukunftsorientierte Entwicklungen in der Drogenpolitik braucht.
Missbrauch wird vor allem dort betrieben, wo keine geordnete und den Regeln der Substitutionsverschreibung konforme Verordnung erfolgt. Sogenannte „Schmerzbehandlungen“ mit Vendal und Hydal bei Opiatabhängigen diskreditieren die mühsame Arbeit der Substitutionsbehandlung. Die Ärztekammer ist über Fortbildungen und Informationen ständig bemüht, die nichtkonforme Verschreibung von Ersatzdrogen einzuschränken und die Qualität dieser hochwertigen Behandlungsform in Vorarlberg aufrecht zu erhalten.

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