Türen gehen auf 5

 
Briefe an die Bewohner/innen einer Stadt

Von Gabriele Bösch 

Habe ich im ersten Brief geschrieben, ich käme immer zu früh zu einem Treffpunkt? Diesmal kam ich zu spät zum KK-Salon in der Habsburg!
Ich war noch nie in diesem Gasthaus, und als ich eintrat, blickte ich in eine Runde älterer Männer. „Ist das der Kulturkreis?“, fragte ich, im selben Moment wissend, dass das nicht sein konnte. „Nein“, antwortete einer, aber sie seien sicher schöner! Ich musste lachen und platzte dann wohl regelrecht mit der Tür in einen vollbesetzten Nebenraum – ich entschuldige mich herzlich für diesen Auf- und Eintritt und alle Peinlichkeiten später! Ich sei eine Wilde, sagt manchmal mein Mann. Ich glaube, ich beginne zu ahnen, was er meint …
Dennoch. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich mich an diesem Ort, mit all diesen Menschen, die ihr Hohenems lieben, den ganzen Abend herzlich gefreut habe. Ich war regelrecht begeistert! Miteinander zu denken, einander gegenseitig zu inspirieren, machte schlicht Spaß – und ließ mich vielfach staunen. Ich bedanke mich noch einmal für die Arbeit der Vor-, der Auf- und Nachbereitung bei Thomas Kopf, Heinz Zudrell und Edi Banzer, der eigentlich an diesem Abend Geburtstag gefeiert hat! 

Was geschah? Ein erstes Visions-Treffen, initiiert vom Kulturkreis, nach dem Modell des Welt-Cafés (kann man auch googeln). Die Besucher verteilten sich auf fünf Tische. Jeder Tisch hatte einen „Gastgeber“. Die erste Frage, die der Moderator stellte, war: „Was ist für Sie das Schöne an Hohenems, was ist das Einzigartige an Hohenems?“

Auf persönliche Werte hören

Auf jedem Tisch lagen Karten. Jeder persönliche Vorschlag, was wertvoll, was einzigartig an Hohenems ist, wurde auf eine Karte notiert. Das Schöne war leichter zu finden, mit dem Einzigartigen, mit dem was uns von anderen Städten merklich unterscheidet, taten wir uns schon ein wenig schwerer. Nach einer Weile wurden alle Karten eingesammelt.
Heinz mischte die Karten, Thomas und Edi verlasen die Vorschläge und hefteten sie an eine große Pinnwand. Von Natur zwischen Berg und Rhein, Markus Sittikus, Schubertiade, Homunculus, Palast, Landwirtschaftsschule, Gasthaus Adler, Fenkart Schokolade bis hin zum Flugplatz lauteten die Einträge, um hier nur ein paar zu nennen. Insgesamt waren es fast 100. 


Danach sortierten wir gemeinsam die Karten auf der Pinnwand. Ich glaube über 90 Prozent der Karten ließen sich vier großen Themenfeldern zuordnen (alphabetisch):
Alte (historische) Bausubstanz, Geschichte, Kultur, Natur.
Ein paar vereinzelte Einträge ließen sich nirgends zuordnen, aber mir tat das Herz weh, dass die „Jugend“ da hängen blieb – und prompt wurde ich gefragt (danke!!), ob ich einen „neuen Tisch aufmachen“ wolle als Gastgeberin. Klar tat ich das! 


In Folge arbeiteten wir uns also an fünf Tischen vertiefend durch diese fünf Themen. Die Frage in dieser 2. Runde lautete: „Wie können wir unsere schönen Besonderheiten Alte Bausubstanz, Geschichte, Kultur, Natur und Jugend stärken?“ Auf jedem Tisch lag ein riesengroßes Stück Papier, auf dem die Ideen notiert wurden. 

Nach bestimmten Zeiteinheiten wechselten die Menschen die Tische, um sich auch den anderen Themen zu stellen, nur der „Gastgeber“ blieb an seinem Tisch, stellte den neu Hinzukommenden vor, was bisher erarbeitet wurde. So trugen alle zu allen Themen ihre Ideen bei. Am Schluss wurden diese fünf „Plakate“ aufgehängt, die „Gastgeber“ stellten die Arbeit ihres jeweiligen Tisches vor. Alle diese erarbeiteten Visionen werden im Ideenpool gesammelt. 

Die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig inspirierten, lässt sich hier kaum wiedergeben – das muss man einfach erleben! Wir sahen in der Zeit nach vorne, nach hinten und auch in die Gegenwart, und vernetzten quer durch die Zeiten die oben genannten fünf Schwerpunkte mit gegebenen Tatsachen! Es war, als würde der Geist der Stadt spürbar wach. Das war derart lebendig, dass ich zu Hause noch lange nicht einschlief: Die Ideen setzten sich fort … 

Plötzlich hatte ich eine kleine ganz persönliche Vision, in der sich die leere Marktstraße z. B. als eine riesige Option herausstellte. Ich sah arbeitslose Jugendliche, denen man einen Geschäftsraum in der Marktstraße zur Verfügung stellt. Gegen ein Taschengeld der Stadt gestalten sie dort in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftsschule ein zweites Lädele, mit viel Freiraum, wie es ihnen gefällt. Ich sehe einen freundlichen Pensionisten, der sie in Sachen Buchhaltung berät. Vielleicht ist dieses Lädele zuerst nur an zwei Tagen offen. Es findet sich eine nette Oma, die einmal in der Woche dort alte Kochrezepte vorstellt. Ich sehe plötzlich eine türkische Frau, die sich für diese Rezepte und das schöne Gemüse interessiert. Und weil dieses Lädele Jung und Alt anzieht und so lebendig ist, hat es die ganze Woche geöffnet und plötzlich interessiert sich der Eigentümer des Nachbarhauses dafür und beginnt zu überlegen, wie er sein eigenes leerstehendes Geschäft von „unten herauf“ wieder beleben könnte. Und so weiter und so fort … 

Diese Minivision ergab sich für mich aus dem gemeinsamen Sprechen über alte Bausubstanz, Liebe zur Natur, aus der Frage, ob wir eine neue Schule bräuchten und der Forderung, dass man alte und junge Menschen mehr zusammenführen müsse. Das ist nicht geträumt, weil tatsächliche Gegebenheiten miteinander vernetzt werden. Dahinter stand nur meine Frage, wie man arbeitslose Jugendliche stärken, ihnen eine Rutschbahn ins Leben bieten könnte, doch diesmal eine lebendige, keine aus Edelstahl. 

Ich möchte Sie herzlich einladen, eine eigene Visionsrunde ins Leben zu rufen! Versammeln Sie sich mit Menschen, die noch andere Werte einbringen, wir brauchen die Vielfalt! Wenn Sie dafür Hilfe und Unterstützung brauchen, rufen Sie mich an: 0680/2324770. Sie können Ihre Ideen aber auch direkt an den Ideenpool schreiben: ideenpool@hohenems.at oder Ideenpool, visionstadthohenems, Kaiser-Franz-Josef-Straße 4, 6845 Hohenems. 

Ich wünsche Ihnen aus ganzem Herzen einen schönen Adventbeginn!

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