Die Behandlung einer chronisch rezidivierenden Vaginalmykose wird kontrovers diskutiert
Weißlicher
Fluor, Juckreiz, Rötung und Brennen im Vaginalbereich: Beinahe jede
Frau erfährt diese Symptome im Laufe ihres Lebens einmal am eigenen
Leib. Einige davon werden das Problem Scheidenpilz nicht mehr los. Sie
leiden wiederholt unter einer Infektion, die im Grunde einfach zu
behandeln ist, aber viel Raum für Spekulationen bietet.
An und für sich ist der Hefepilz Candida albicans ein ganz harmloser Keim, der bei etwa einem Drittel der Bevölkerung als Kommensale auf Haut und Schleimhäuten sein Dasein fristet. Seine Fähigkeit zum Opportunismus bereitet der Wissenschaft jedoch seit Jahren Kopfzerbrechen. Vom Killerpilz und invasorischen Monster ist mitunter die Rede, die therapeutische Intervention bei bloßer Anwesenheit wird kontrovers diskutiert.
Exakte diagnostische Abklärung
"Eine Candida-Infektion gehört therapiert, wenn sie Symptome verursacht", sieht Herbert Kiss, Leiter des Gynäkologischen und Geburtshilflichen Infektionslabors am Wiener AKH, die Lage pragmatisch. Grund genug, den Beschwerden gleich medikamentös zu begegnen, ist das für den Gynäkologen aber noch nicht. "Selbst wenn der optische Blick und das subjektive Gefühl einen Scheidenpilz vermuten lassen, liegt man nur in 50 Prozent der Fälle auch richtig", betont der Experte.
Vorab ist daher, wie bei jeder anderen Erkrankung auch, eine exakte diagnostische Abklärung erforderlich, die bei der Vaginalmykose mit Hilfe eines Abstriches zur mikroskopischen Beurteilung erfolgt. In seltenen Fällen und bei einer chronisch rezidivierenden Verlaufsform ist eine Pilzkultur erforderlich. Bestätigt sich der Verdacht, wird nur bei gleichzeitig bestehender Symptomatik behandelt.
Systemisch oder lokal
"Die moderne Pilztherapie des 21. Jahrhunderts ist die orale Therapie", betont Kiss. Der Effekt, den Patientinnen bei einmaliger Einnahme der antimykotischen Kapsel erzielen, ist vor allem deshalb einer lokalen Therapie überlegen, weil der Pilz in aller Regel nicht nur im Vaginalbereich, sondern auch im Darm beheimatet ist. Studien haben die Wirkung von Fluconazol und Itraconazol bestätigt, trotzdem kommen Antimykotika oft erst spät ins Spiel. "Die meisten Frauen, die mit einem chronischen Scheidenpilz zu mir in die Praxis kommen, haben noch keine orale Therapie erhalten, sondern bislang nur mit Hilfe von Lokaltherapeutika therapiert", berichtet Kiss.
In der Kategorie topische Therapie ist das Angebot groß, Recherchen im Internet lassen jedoch Uneinigkeit bezüglich der Effizienz auch unter Experten vermuten. Azole wie Clotrimazol und Miconazol sowie Polyene wie Amphtericin B, Nystatin und Ciclopirox kommen in Form von Salben, Cremes, Vaginaltabletten oder Ovula zum Einsatz. Alternativ sollen lokale vaginale Antiseptika wie Povidon-Jod, Hexetidinpräparate beziehungsweise Ammoniumbasen der Candida albicans den Garaus bereiten. "In Studien wurde nachgewiesen, dass bei einer einfachen, sporadisch auftretenden Pilzinfektion lokale und orale Therapie gleichwertig sind", betont Kiss und hält im Bereich der Lokaltherapeutika Clotrimazol für das Mittel der Wahl.
Stress triggert Abwehrschwäche
Geht man den Ursachen einer chronischen Vaginalmykose auf den Grund, wird man im Netz ebenfalls außerordentlich fündig. Von einer aus dem Gleichgewicht geratenen natürlichen mikrobiellen Keimflora der Vagina ist da unter anderem die Rede, einer übertriebenen Intimhygiene und einem eventuellen Zusammenhang mit dem Verhütungsmittel Spirale.
Und auch mit Lösungen wird nicht gespart. Laktobazillen sollen helfen, den Säuregehalt des Scheidenmilieus wiederherzustellen und damit die Vermehrung krankmachender Pilze zu verhindern. Das bloße Entfernen der Spirale könne ebenfalls die ersehnte Heilung bringen. Kiss gewinnt beiden Theorien nichts ab: "Es gibt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen chronisch rezidivierendem Scheidenpilz und der Spirale, und die Laktobazillen helfen nicht, weil es bei einem Laktobazillendefizit nicht zu einer Pilzinfektion, sondern zu einer bakteriellen Vaginose kommen kann. In 90 Prozent der Fälle von Pilzinfektionen findet sich eine völlig normale Laktobazillenflora, wie unsere jährlich tausenden Befunde bestätigen."
Warum der Hefepilz manchmal Symptome erzeugt und manchmal nicht, hat laut dem Wiener Gynäkologen wahrscheinlich mit einem bestehenden Immundefizit zu tun. Stress, Schwangerschaft oder die Einnahme von Antibiotika triggern diese Abwehrschwäche, die der Candida die Möglichkeit eröffnet, sich ungehindert zu vermehren.
Keine Ansteckungsgefahr im Schwimmbad
Banal und doch schwierig genug: Mit dem richtigen Lifestyle können Frauen also in aller Regel Reinfektionen verhindern. Ein Besuch im Schwimmbad oder in der Sauna ist nur bedingt ein Problem. "Eine echte Ansteckung in öffentlichen Schwimmbädern ist nicht möglich, jedoch kann der hohe Chlorgehalt des Wassers dazu führen, dass die Schleimhäute derart irritiert und gereizt werden, dass in weiterer Folge die lokale Immunabwehr der Schleimhäute zusammenbricht", ergänzt Kiss und würde in Anbetracht dessen zumindest Vorsicht walten lassen.
(Regina Philipp, derStandard.at, 13.06.2012)
An und für sich ist der Hefepilz Candida albicans ein ganz harmloser Keim, der bei etwa einem Drittel der Bevölkerung als Kommensale auf Haut und Schleimhäuten sein Dasein fristet. Seine Fähigkeit zum Opportunismus bereitet der Wissenschaft jedoch seit Jahren Kopfzerbrechen. Vom Killerpilz und invasorischen Monster ist mitunter die Rede, die therapeutische Intervention bei bloßer Anwesenheit wird kontrovers diskutiert.
Exakte diagnostische Abklärung
"Eine Candida-Infektion gehört therapiert, wenn sie Symptome verursacht", sieht Herbert Kiss, Leiter des Gynäkologischen und Geburtshilflichen Infektionslabors am Wiener AKH, die Lage pragmatisch. Grund genug, den Beschwerden gleich medikamentös zu begegnen, ist das für den Gynäkologen aber noch nicht. "Selbst wenn der optische Blick und das subjektive Gefühl einen Scheidenpilz vermuten lassen, liegt man nur in 50 Prozent der Fälle auch richtig", betont der Experte.
Vorab ist daher, wie bei jeder anderen Erkrankung auch, eine exakte diagnostische Abklärung erforderlich, die bei der Vaginalmykose mit Hilfe eines Abstriches zur mikroskopischen Beurteilung erfolgt. In seltenen Fällen und bei einer chronisch rezidivierenden Verlaufsform ist eine Pilzkultur erforderlich. Bestätigt sich der Verdacht, wird nur bei gleichzeitig bestehender Symptomatik behandelt.
Systemisch oder lokal
"Die moderne Pilztherapie des 21. Jahrhunderts ist die orale Therapie", betont Kiss. Der Effekt, den Patientinnen bei einmaliger Einnahme der antimykotischen Kapsel erzielen, ist vor allem deshalb einer lokalen Therapie überlegen, weil der Pilz in aller Regel nicht nur im Vaginalbereich, sondern auch im Darm beheimatet ist. Studien haben die Wirkung von Fluconazol und Itraconazol bestätigt, trotzdem kommen Antimykotika oft erst spät ins Spiel. "Die meisten Frauen, die mit einem chronischen Scheidenpilz zu mir in die Praxis kommen, haben noch keine orale Therapie erhalten, sondern bislang nur mit Hilfe von Lokaltherapeutika therapiert", berichtet Kiss.
In der Kategorie topische Therapie ist das Angebot groß, Recherchen im Internet lassen jedoch Uneinigkeit bezüglich der Effizienz auch unter Experten vermuten. Azole wie Clotrimazol und Miconazol sowie Polyene wie Amphtericin B, Nystatin und Ciclopirox kommen in Form von Salben, Cremes, Vaginaltabletten oder Ovula zum Einsatz. Alternativ sollen lokale vaginale Antiseptika wie Povidon-Jod, Hexetidinpräparate beziehungsweise Ammoniumbasen der Candida albicans den Garaus bereiten. "In Studien wurde nachgewiesen, dass bei einer einfachen, sporadisch auftretenden Pilzinfektion lokale und orale Therapie gleichwertig sind", betont Kiss und hält im Bereich der Lokaltherapeutika Clotrimazol für das Mittel der Wahl.
Stress triggert Abwehrschwäche
Geht man den Ursachen einer chronischen Vaginalmykose auf den Grund, wird man im Netz ebenfalls außerordentlich fündig. Von einer aus dem Gleichgewicht geratenen natürlichen mikrobiellen Keimflora der Vagina ist da unter anderem die Rede, einer übertriebenen Intimhygiene und einem eventuellen Zusammenhang mit dem Verhütungsmittel Spirale.
Und auch mit Lösungen wird nicht gespart. Laktobazillen sollen helfen, den Säuregehalt des Scheidenmilieus wiederherzustellen und damit die Vermehrung krankmachender Pilze zu verhindern. Das bloße Entfernen der Spirale könne ebenfalls die ersehnte Heilung bringen. Kiss gewinnt beiden Theorien nichts ab: "Es gibt keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen chronisch rezidivierendem Scheidenpilz und der Spirale, und die Laktobazillen helfen nicht, weil es bei einem Laktobazillendefizit nicht zu einer Pilzinfektion, sondern zu einer bakteriellen Vaginose kommen kann. In 90 Prozent der Fälle von Pilzinfektionen findet sich eine völlig normale Laktobazillenflora, wie unsere jährlich tausenden Befunde bestätigen."
Warum der Hefepilz manchmal Symptome erzeugt und manchmal nicht, hat laut dem Wiener Gynäkologen wahrscheinlich mit einem bestehenden Immundefizit zu tun. Stress, Schwangerschaft oder die Einnahme von Antibiotika triggern diese Abwehrschwäche, die der Candida die Möglichkeit eröffnet, sich ungehindert zu vermehren.
Keine Ansteckungsgefahr im Schwimmbad
Banal und doch schwierig genug: Mit dem richtigen Lifestyle können Frauen also in aller Regel Reinfektionen verhindern. Ein Besuch im Schwimmbad oder in der Sauna ist nur bedingt ein Problem. "Eine echte Ansteckung in öffentlichen Schwimmbädern ist nicht möglich, jedoch kann der hohe Chlorgehalt des Wassers dazu führen, dass die Schleimhäute derart irritiert und gereizt werden, dass in weiterer Folge die lokale Immunabwehr der Schleimhäute zusammenbricht", ergänzt Kiss und würde in Anbetracht dessen zumindest Vorsicht walten lassen.
(Regina Philipp, derStandard.at, 13.06.2012)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen