Korruption in Österreich / Dunkle Kanäle



Wolfgang Schüssel verkündet nach Bekanntwerden der Telekom-Affäre im September 2011 seinen Rücktritt.

Warum eine bloße Reform der Parteienfinanzierung nicht ausreichen wird.

Man muss schon lange Zeit sehr bewusst die Augen verschlossen haben, um von der Telekom-Affäre überrascht worden zu sein: Der Sumpf, den der parlamentarische Untersuchungsausschuss publik macht, ist die Folge von Zuständen, die allen bewusst sein mussten. Es ist seit je kein Geheimnis, wie das Schmieren der politischen Maschine funktioniert und wie Geld an die Parteien transferiert werden kann.
Eine Firma wie die Telekom verteilt Geld nicht direkt an Parteien, sondern befasst damit eine zwischengeschaltete Agentur. Und diese leitet das Geld weiter – aber auch nicht an die Parteizentralen, die einer völlig zahnlosen öffentlichen Kontrolle ihrer Budgets unterliegen. Finanziert werden hingegen punktuelle Wahlkampfaktivitäten wie etwa der »Jugendwahlkampf« von Teil- oder Vorfeldorganisationen oder die PR-Aktivitäten einzelner Politiker, die diese unter dem Titel »Informationskampagne« verbuchen.

Kammern und der ÖGB halten sich an das gesetzliche oder freiwillig auferlegte Verbot, Parteien unmittelbar zu unterstützen. Finanziert werden aber sehr wohl Fraktionen wie der Bauernbund der ÖVP in den Landwirtschaftskammern oder die Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter im Gewerkschaftsbund.
Dazu kommen die Gelder der öffentlichen Hand, die im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden fließen: an die Parlamentsklubs und an die Parteiakademien, an die Parteien und Fraktionen. Mandatare auf allen Ebenen erhalten öffentliche Bezüge, von denen ein erheblicher Teil in Form von Parteisteuern wieder den Parteien zugutekommt: eine weitere Form indirekter staatlicher Parteienfinanzierung.
Die Parteien kommen so zu dem Luxus, über einen üppig ausgestatteten Finanzpolster zu verfügen: Allein für den Zeitraum von 2006 bis 2008 errechnete der Politikwissenschaftler Hubert Sickinger für sein Buch Politikfinanzierung in Österreich (Czernin-Verlag) eine Summe von knapp 30 Millionen Euro, welche alle Parteien in traditionelle Formen der Werbung, also Plakate und Inserate in Printmedien, steckten. Dieser beachtliche Betrag wurde in einem relativ knappen Zeitraum ausgegeben. Österreich ist damit einer, wenn nicht sogar der Spitzenreiter in der internationalen Rangliste politischer Finanzierung.
Das alles wird bewusst in einer kaum durchschaubaren Grauzone gehalten. So können sich die Parteispitzen in Unwissen wiegen, einen Spendenjongleur wie Peter Hochegger brauchen sie nicht zu kennen. Die Finanzierung des Wahlkampfes ist Aufgabe eines Gremiums, dem keine Führungsfiguren angehören, die sich, anders als ein Mann wie der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl, über die Niederungen der Finanzkanäle erhaben erweisen.
Natürlich geht es bei dem großen Geldkarussell stets um Einflussnahme auf jene Personen, von denen sich ein bestimmter Interessensträger Vorteile erhofft; und das sind die Entscheidungsträger in den Regierungsparteien. Das zeigt auch der Fall Telekom: Bis 2006 wurde vor allem das BZÖ, das den Minister stellte, der für Telekom-Belange zuständig war, mit einem warmen Geldregen bedacht. In die Regierung zurückgekehrt, wurde sogleich die SPÖ Adressat von Telekom-Zuwendungen. Geht man davon aus, dass alles über einen rationalen Kern verfügt, dann müssen Geldgeber wie die Telekom die begründete Erwartung haben, für ihr Geld eine Gegenleistung zu erhalten. Sonst wäre es Veruntreuung von Firmenvermögen.
Unsinnig teure Politikmaschine
Die Anordnung der Finanzkanäle ist allerdings noch weitaus komplizierter, wenn darüber hinaus die »Informationstätigkeit« der Regierung berücksichtigt wird. Medien gegenüber ist die Politik nicht Nehmer, sondern Geber. Inseratenkampagnen, die alle von der Qualität österreichischer Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik oder von der Wohnbautätigkeit der Stadt Wien überzeugen sollen, sind für die Medien eine nicht unerhebliche Einnahmequelle.
 
In anderen Demokratien informiert eine Regierung die Öffentlichkeit, indem sie zu einer Pressekonferenz lädt. Und die Medien berichten darüber, was ihnen im Rahmen der Medienfreiheit zu den Verlautbarungen einfällt. In Österreich hingegen bezahlt die Politik für etwas, das zum täglichen Geschäft der Zeitungen gehören sollte. Wenn man wiederum unterstellt, dass diese in Demokratien einmalige und extrem teure Form der bezahlten »Informationskampagnen« einen Sinn haben soll, dann ist die Annahme mehr als nur plausibel: Die Medien sollen für die großzügige Inseratenzuteilung eine Gegenleistung erbringen.
Geld schmiert eine Maschine. Und dazu muss zwangsläufig der Begriff Korruption aufblitzen. Geld schafft ein Netz von wechselseitigen Abhängigkeiten: die der Politik von Geldgebern, die der Medien von der Politik.
Die Fantasie hat keine Grenzen
Österreich leistet sich eine im internationalen Vergleich unsinnig teure Politikmaschine. Was wäre also näherliegend, als Verbote zu beschließen, um Zuwendungen an die Parteien zu reduzieren und transparent zu machen?
So steht derzeit auch tatsächlich ein Gesetz zur Parteienfinanzierung im Raum, das einige Schritte in die richtige Richtung machen wird: etwas mehr öffentliche Kontrolle der Parteifinanzen oder bessere Überwachung der Einhaltung des Verbots bestimmter Spendenflüsse. Es steht jedoch zu befürchten, dass das, was die Parteien mit dem Geld anfangen, von der Reform unberührt bleiben wird.
Aus der Geschichte der Parteienfinanzierung weiß man, dass solche Verbote Zuwendungen nicht verhindern, sondern nur erschweren. Es gibt überall Mittel und Wege, die Kontrollen zu unterlaufen. Ein Nebenprodukt der Aufdeckung des Watergate-Skandals war die Entdeckung, dass der Wahlkampf von Richard Nixon, der zentralen Figur der Affäre, 1972 in erheblichem Umfang mit Geldern finanziert worden war, die laut Gesetz eigentlich gar nicht hätten fließen dürfen. Und der letzten Endes ruhmlose Abschied Helmut Kohls von jeder politischen Führungsrolle wurde durch die Erkenntnis überschattet, dass sich auch der »Kanzler der deutschen Einheit« als Adressat illegaler Gelder hergegeben hatte.
Wo immer der aufgeregte Hase des demokratischen Rechtsstaates herbeihoppelt, um Zuwendungsverbote zu kontrollieren, war der Igel schon da und sicherte sich die illegalen Zuwendungen. Der Fantasie, Gelder an Verboten und Kontrollen vorbei der politischen Maschine einzuflößen, sind keine Grenzen gesetzt.
Deshalb folgen auch andere Demokratien, die pro Kopf die billigsten Wahlkämpfe schlagen, einer intelligenteren Strategie: Großbritannien und Kanada begrenzen nicht nur die Einnahmen, sondern auch die Ausgaben der Parteien. In jedem Wahlkreis darf pro Wahlkampf nur eine bestimmte Summe verbraucht werden.
Anders als die Einnahmen können die Ausgaben im Wahlkampf ihrem Wesen nach nicht versteckt werden. Es ist bekannt, wie viel ein Internetauftritt kostet oder eine große Veranstaltung. Eine Partei kann nicht verheimlichen, dass sie eine Plakatserie in Auftrag gegeben hat – auch nicht, mit welcher Auflage. All das kann, weil es öffentlich stattfindet, öffentlich kontrolliert werden. Und wenn eine Partei oder ein Kandidat das Ausgabenlimit überschreitet, drohen Sanktionen, die bis zum Verlust des Mandats reichen können.
Ein solches System trocknet die Nachfrage nach Spendengeldern aus. Wenn der Igel für illegale Zuwendungen keine Verwendung mehr hat, dann – erst dann – hat der Hase, der demokratische Rechtsstaat, das Spiel gewonnen.

Quelle: Zeit Online

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