SPINDELEGGER = ENTFESSELT


Von Armin Wolf


Da habe ich mich heute früh an den Computer gesetzt, um hier was Längeres zum eigenartigen Umgang der SPÖ mit ihrer Frauenquote zu schreiben - da kam um 8h20 die APA-Eilt-Meldung: Spindelegger-Pressekonferenz um 9h00.
Das ist doch ungewöhnlich kurzfristig.
Also rief ich einen engen Vertrauten des ÖVP-Chefs an:
"Was wird das um 9?" - "Ich kann nicht gut reden."
"Tritt er zurück?" - "Ja."
"Als Finanzminister oder als Parteichef?" - "Beides."


"Hält das?" - "Definitiv."
Da war es 8h25 und das war's mit meinem schönen Text über die SPÖ. Heute ist also ÖVP-Tag (was Frauenministerin Heinisch-Hosek durchaus freuen dürfte).
Die ÖVP hat ja eine sehr unschöne Tradition von Obmann-Umbringungen auf offener Bühne, aber üblicherweise gehen da ein paar verlorene Wahlen (in Bundesländern) voraus. Michael Spindelegger wurde hingegen coram publico demontiert, bevor die ÖVP in Vorarlberg ihre Absolute verlieren konnte (aber auch nicht so rechtzeitig, dass es dort irgendwas helfen wird).
Spindelegger ist ein leidensfähiger Mann, aber in den letzten Tagen wurde es ihm offensichtlich zu viel: "Jetzt wurden meine Loyalität und meine Paktfähigkeit überstrapaziert", sagte er in seiner kurzen Pressekonferenz: "Und darum trete ich heute zurück."
Die 6 Minuten waren übrigens der vielleicht entschlossenste und überzeugendste Auftritt, den Spindelegger als Parteichef je hatte - aber auch sein "letzter Medienauftritt", wie er sagt.
Erst gestern hat ihn der Tiroler AK-Präsident zum Rücktritt aufgefordert, aber das hat nichtmal mehr als "letzter Tropfen" eine Rolle gespielt. Die Entscheidung fiel bereits am Wochenende, nach dem Begräbnis von Spindeleggers Vater (ein langjähriger ÖVP-Politiker als Bürgermeister und im Nationalrat). Gestern Abend informierte Spindelegger seine engsten Mitarbeiter - einen fixen neuen Job hat er angeblich noch nicht (er ist allerdings als nö. Landesbeamter seit über 20 Jahren karenziert).
Jetzt muss die ÖVP also drei Jobs neu besetzen: Parteiführung, Finanzministerium & Vizekanzler/in.
Für Sebastian Kurz, den sich viele als künftigen Parteichef wünschen, kommt das alles zu früh. Der rustikal-ambitionierte Andrä Rupprechter wäre wohl interessiert, polarisiert aber in der Partei viel zu sehr und hat keine wirkliche Basis. Innenministerin Mikl-Leitner ist ÖAAB-Chefin, Niederösterreicherin und eine enge Pröll-Vertraute - aber da spielt wohl die berüchtigte "Westachse" nicht mit. Der routinierte und ehrgeizige Oberösterreicher, Wirtschaftsbündler und CVer Reinhold Mitterlehner ist in der Partei nicht übermäßig populär - aber derzeit so etwas wie der logische Nachfolger, jedenfalls vorübergehend. Mitterlehner könnte auch Finanzminister werden - fachlich wäre er dafür qualifizierter als der Außenpolitiker Spindelegger. Aber viele warnen auch vor der Dreifach-Belastung mit dem Mega-Ressort. Könnte also sein, dass jetzt ein Finanzexperte fürs Ministerium gesucht wird (gerne auch eine Frau). Dann würde Mitterlehner wohl als Wirtschaftsminister die Partei und den Vizekanzler übernehmen. Vielleicht wird die Entscheidung in der Parteivorstandssitzung heute Abend aber auch noch vertagt.
Wer ziemlich sicher nicht ÖVP-Chef wird ist einer jener Herren, die Spindelegger in den letzten Monaten öffentlich ausgerichtet haben, wie es eigentlich gehen würde, also die Landesparteichefs Pühringer, Platter, Haslauer oder Wallner. Und auch nicht der Mann, der (v.a. seit dem Abgang Wolfgang Schüssels) den Ton in der Partei angibt: der mächtige Erwin Pröll. Ohne oder gar gegen ihn wird es keinen neuen ÖVP-Obmann geben, aber Pröll selbst wird es nicht sein. Der Job, der 2016 in der Hofburg frei wird, ist für ihn viel interessanter und aus den Niederungen der täglichen Innenpolitik schwer zu holen.
Und er hat einen unschätzbaren Vorteil: In der Hofburg dauert die Amtszeit mindestens 6 Jahre. Ohne Obmann-Debatten.

Alles über den spannenden Tag heute in der ZiB1 um 19h30, in einer verlängerten ZiB2 um 22h00 und anschließend in einem Runden Tisch.


Quelle: Armin Wolf - ENTFESSELT. Da habe ich mich heute früh an den...

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